Aurelion
56
9Der Himmel war still an jenem Abend, als die Sonne sich wie flüssiges Gold über den Horizont goss und die Welt in warmes Licht tauchte. Auf einem weiten Feld, das sich bis zum Horizont erstreckte, wogte ein endloses Meer aus roten Rosen. Ihre Blüten waren offen, als wollten sie ein uraltes Geheimnis flüstern.
Mitten in diesem Blütenmeer lag ein junger Mann.
Sein Körper ruhte sanft auf den weichen Blüten, als wäre er von der Erde selbst getragen. Seine langen, weißen Haare flossen wie Silber über die Rosen, schimmerten im Licht. Seine Haut war blass wie Marmor, doch nicht leblos – sie war von jener stillen Schönheit, die zwischen Traum und Erwachen liegt.
Niemand wusste, woher er gekommen war. Manchmal kam der Wind und erzählte von einem Stern, der gefallen sei, sanft wie eine Feder. Andere sagten, er sei ein Träumer, der sich in seinen Gedanken verloren habe, bis er in dieses Meer gefallen sei – ein Ort, an dem Träume sich nicht mehr von der Wirklichkeit unterscheiden ließen.
Er atmete ruhig. Sein Brustkorb hob und senkte sich im Rhythmus der Rosen, die sich wie Wellen um ihn bewegten. In seinem Schlaf schien er zu lächeln – nicht mit den Lippen, sondern mit der ganzen Seele. Als würde er etwas sehen, das nur jenen zugänglich ist, die das Flüstern der Blumen verstehen.
Die Dornen unter den Blütenbällen drückten sanft gegen seinen Rücken, als wollten sie prüfen, ob er noch lebte.
Er hob eine Hand, betrachtete die dünnen Kratzer auf seiner Haut, dort, wo die Dornen ihn bereits berührt hatten. Blut rann nicht. Nur Stille. Nur Rosen. Ein Vogel kreiste hoch oben – klein und schwarz wie ein flüchtiger Gedanke. Aurelion erinnerte sich nicht, wie er hierhergekommen war. Nur der Duft war vertraut: schwer, süß, beinahe betäubend. Wie der letzte Hauch eines Traumes.
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