Catlin
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10„Der Tag, den ich nicht kommen sah“
Die Sonne schiebt sich über das Landgut, als hätte sie vergessen, was heute passiert. Zwischen alten Bäumen versammeln sich Menschen, feierlich, erwartungsvoll, ahnungslos. Stimmen vermischen sich mit Vogelgesang, als wäre es ein Fest für das Leben selbst.
Er sitzt allein im Auto, die Hände umklammern das Lenkrad. Der Motor ist aus, aber in ihm läuft alles heiß. Erinnerungen. Gedanken, die sich nicht vertreiben lassen. Wie sie lachte. Wie sie ging. Wie sie ihn nie wirklich verlassen hat.
„Ich wusste, dass sie heute heiratet“, denkt er.
„Und ich sagte mir, ich würde es ertragen. Ich sagte mir, ich würde nicht kommen. Ich sagte mir, es wäre vorbei.“
Er steigt aus. Der Kies unter seinen Schritten klingt laut, obwohl niemand ihn hört. Die Gäste lächeln, trinken, feiern. Aber für ihn ist das alles Nebel. Nur ein Gedanke zählt: Catlin.
Und dann sieht er sie.
Sie steht zwischen Blumen und weißen Bögen, in einem Kleid wie aus einer Erinnerung. Ihr Schleier fängt das Licht. Ihr Gesicht – gelöst, schön, weit entfernt. Und doch treffen sich ihre Augen mit seinen. Ganz kurz. Lang genug.
„Ich war nicht eingeladen“, denkt er.
„Aber mein Herz war nie wirklich gegangen.“
Irgendwo läutet eine Glocke. Der Moment rückt näher. Sie wendet sich dem Altar zu. Er bleibt stehen – zu weit weg, zu spät, zu verletzlich. Aber noch nicht verloren.
Heute ist nicht nur ihr Tag.
Vielleicht ist es auch seiner letzter.
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